Apr
19
2016

»ENTARTETE« KUNST – VERFOLGUNG DER MODERNE IM NS-STAAT WERKE AUS DER SAMMLUNG GERHARD SCHNEIDER

Pressemitteilung des Kallmann-Museums

Kallmann-Museum Ismaning
1. Mai – 11. September 2016
Eröffnung: Samstag, 30. April 2016, 18 Uhr

Werner Scholz: Halbweltdame am Caféhaustisch 1929, Farblithographie, 61 × 41,6 cm Bild: Kallmann-Museum

Werner Scholz:
Halbweltdame am Caféhaustisch
1929, Farblithographie, 61 × 41,6 cm
Bild: Kallmann-Museum

Das Kallmann-Museum freut sich sehr, ab dem 1. Mai die „Sammlung Gerhard
Schneider“ zu präsentieren, die umfangreichste Privatsammlung mit Werken der
„entarteten Kunst“. Die Ausstellung widmet sich den zahlreichen Künstlern und
Künstlerinnen, die vom NS-Staat diffamiert und verfolgt wurden und nach dem Zweiten
Weltkrieg vielfach in Vergessenheit gerieten. Sie beleuchtet damit eines der düstersten
Kapitel der deutschen Kulturpolitik, das noch immer nicht vollständig aufgearbeitet ist.
Das Projekt, das einen einzigartigen Überblick über die Verfolgung der Kunst im Dritten
Reich erlaubt, wurde gemeinsam mit Studierenden der Kunstgeschichte der LMU
München erarbeitet.
Rund 1600 KünstlerInnen wurden während der NS-Zeit als „entartet“ diffamiert. Sie wurden vom öffentlichen Kunstgeschehen ausgeschlossen, mit Berufsverbot belegt und aus Museen und Galerien verdrängt. Die Zensur bedeutete für sie nicht nur den Verlust der existentiellen Grundlage, sie war zugleich auch der Versuch, die deutsche Kultur staatlich zu reglementieren und zwei Generationen von kreativ Schaffenden auszulöschen.
Mehr als 20.000 Arbeiten wurden bei den umfassenden „Säuberungen“ durch die Nationalsozialisten aus Museen beschlagnahmt. Ein Teil der Werke wurde anschließend auf den
zahlreichen Femeschauen vorgeführt, die zu Propagandazwecken von 1933 bis 1941 im gesamten
Reichsgebiet gezeigt wurden. Bereits die enorme Anzahl der KünstlerInnen und Werke lässt
erkennen, dass die repressiven Maßnahmen der NS-Kunstpolitik nicht nur die bekannten
Namen betrafen, sondern weit darüber hinausgingen. Viele der betroffenen KünstlerInnen
standen in den 1920/30er Jahren noch am Anfang ihrer Karrieren, und nur die wenigsten
konnten nach dem Krieg an frühere Erfolge anknüpfen, während die große Mehrzahl in
Vergessenheit geriet und erst spät wiederentdeckt wurde.

Der Sammler Dr. Gerhard Schneider widmet sich seit mehr als 30 Jahren diesen als „entartet“
verfemten KünstlerInnen. Ein Schwerpunkt seiner Sammlung, die in ihrer Art ein
Alleinstellungsmerkmal für sich in Anspruch nehmen kann, liegt auf den vielen, bis heute
nur wenig bekannten Namen, die nun in Ismaning neu entdeckt werden können. Werke von
mehr als 300 „entarteten“ KünstlerInnen hat Gerhard Schneider zusammengetragen und
damit dem Vergessen entrissen. Für seine Verdienste um die Aufarbeitung dieses Kapitels der
deutschen Geschichte wurde er 2015 mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt.
Das Kallmann-Museum stellt seine Sammlung nun in einer repräsentativen Auswahl vor.
Erstmals werden damit in der Region von München und Oberbayern die während der NS-Zeit
verfolgten KünstlerInnen umfassend präsentiert. Die Ausstellung in Ismaning findet nur
wenige Kilometer von den Hofgarten-Arkaden in München statt, wo 1937 die Ausstellung
„Entartete Kunst“ gezeigt wurde, die zum Inbegriff des nationalsozialistischen Feldzugs gegen
die moderne Kunst geworden ist. Zahlreiche der ausgestellten Werke aus der Sammlung
Schneider werden zum ersten Mal der Öffentlichkeit präsentiert, wodurch in besonderer
Weise dem tragischen Schicksal ihrer Schöpfer Rechnung getragen wird. Zu den vom NS-Staat
diffamierten Künstlern gehörte auch der Gründer des Kallmann-Museums, Hans Jürgen
Kallmann.
Wir freuen uns sehr, dass Ausstellung und Katalog gemeinsam mit Studierenden des Instituts
für Kunstgeschichte der LMU München konzipiert und realisiert wurden. Die Studierenden,
für die das Projekt teilweise die erste intensivere Begegnung mit dem Thema der „entarteten
Kunst“ darstellte, haben im Dialog mit Museumsleiter Rasmus Kleine und Tutorin Hanna
Holtz das Ausstellungskonzept erarbeitet, Katalogthemen festgelegt und entsprechende
Beiträge verfasst. So konnte dieses bedeutsame, noch immer nicht gänzlich aufgearbeitete
Themenfeld an eine neue Generation von WissenschaftlerInnen weitergegeben werden.
Die Ausstellung steht unter der Schirmherrschaft des Bayerischen Staatsministers für Bildung
und Kultus, Wissenschaft und Kunst, Dr. Ludwig Spaenle.
Begleitend zur Ausstellung erscheint ein Katalog im Verlag Kettler. Das Buch, das Ende Mai
vorgestellt wird, enthält neben den Beiträgen der Studierenden mehr als 300
Künstlerbiografien, einen Tafelteil sowie mehrere Auflistungen mit umfangreichen
Informationen zur „entarteten Kunst“ sowie zur Sammlung Gerhard Schneider.

Eröffnung Samstag, 30. April 2016, 18.00 Uhr; mit Aufführung einer Sonate
des als entartet verfemten Komponisten Erwin Schulhoff
Öffnungszeiten Dienstag–Sonntag, 14.30–17 Uhr
Eintritt 4 €; ermäßigt 2,50 €

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